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Fluid Identity
Miriam Schmedecke
Mit ihrer neuen Serie „Fluid Identity“ überführt Sabrina Jung das Porträt in aktuelle gesellschaftliche Diskurse. Wie auch in vorangegangenen Auseinandersetzungen mit dieser Gattung lösen sich die Fotografien von unserer Erwartungshaltung und fordern ein Nachdenken über erlernte Rezeptionsmuster.
Es gibt einige Bestandteile des Porträts, die im Laufe der Jahrhunderte nur wenigen Veränderungen unterworfen wurden: das Brustbild als gewählter Ausschnitt, die Ausrichtung der Personen zur Kamera und ihr spürbares Bewusstsein für die Anwesenheit eines unbekannten Betrachters. Es handelt sich bei den Fotografien von Sabrina Jung also bis zu einem gewissen Grad um Porträts im ‚klassischen‘ Sinne, die den Betrachtenden zu einer dezidierten Auseinandersetzung mit der abgebildeten Person auffordern. Und wie auch für den Maler hinter der Leinwand, stehen die Personen der Künstlerin hinter der Kamera Modell. Trotz der allgemeinen Erwartungshaltung, es handele sich bei einem Porträt um die Darstellung der Persönlichkeit eines Menschen, findet man auch bei den Fotografien eine inszenierte Situation vor.
Bei den Figuren handelt es sich um Freunde und Bekannte der Künstlerin, die im Vorfeld der Aufnahmen sorgfältig von Sabrina Jung präpariert wurden. Dabei legte sie es vor allem darauf an, vermeintlich offensichtlich weibliche und männliche Gesichtszüge durch Schminken, so wie auch den Kleidungsstil zu verändern. Breite Augenbrauen und stark konturierte Wangen- und Mundpartien lassen weiche Linien kantiger wirken. Ein rosiger Teint und glänzende Lippen erzielen den gegenteiligen Effekt. Dennoch behalten die Veränderungen auch den Charakter eines Kostüms bei und beanspruchen nicht, die Identität der dargestellten Figuren zu zeigen. Vielmehr findet eine Verhandlung des möglichen Spielraumes statt, den ein Mensch in der Auslebung seiner Identität und auch seines Geschlechts einnehmen kann und auch mit wie wenigen minimal invasiven Eingriffen das lange Zeit als unverhandelbar geglaubte Gegensatzpaar ‚weiblich – männlich‘ ins Wanken gerät. Anstatt ihren Figuren eindeutige Plätze innerhalb unserer gesellschaftlichen Rezeptionsmuster zuzuweisen, lässt sie Sabrina Jung fluid auf einem Spektrum mäandern.
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